Bitte erzählen Sie uns etwas über die Geschichte Ihres Familienunternehmens.
Mein Uropa hat noch Malerei betrieben, sogar Wandmalerei. Das Familienunternehmen ist stetig gewachsen und ist jetzt in der vierten Generation. Früher gab es noch keine sozialen Medien, Computer und Schreibmaschine. Angebote wurden per Handschrift und Handschlag getätigt.
Empfehlungen wurden zumeist über Mund-zu-Mund-Propaganda aufgrund der abgelieferten Qualität ausgesprochen. Die Arbeiten wurden in einem viel kleineren Umkreis erledigt – ganz früher sogar noch mit Handkarren und Fahrrad. Man kannte sich und ein Handwerker hatte hohes Ansehen in seinem Umfeld. Heute geht das alles viel schneller und ist unpersönlicher geworden und neue Techniken machen viele Arbeitsprozesse leichter. Durch die technische Entwicklung wird auch immer mehr verglichen. Leider entscheidet bei diesem Vergleich heute meist nicht mehr die Qualität der Arbeit oder der Leumund des Handwerkers, sondern der Preis. Die Hektik ist eine andere heutzutage, aber alles hat seine Vor- und Nachteile.
Wie schätzen Sie die Marktlage des Handwerks ein und wie sehen Sie den Stand des Handwerkers heute?
Das Handwerk war immer schon wichtig und ein Grundpfeiler einer guten Volkswirtschaft. Ein großer Unterschied zu früher ist die Wahrnehmung der Menschen, wieviel ein gut ausgebildeter Handwerker für eine Volkswirtschaft bedeutet. Die Leute waren froh, wenn sie eine Lehrstelle im Handwerk bekommen haben. Man hatte motivierte Lehrlinge, da der Stellenwert einer guten Ausbildung in der öffentlichen Wahrnehmung ein ganz anderer war. Heute haben wir überall einen Fachkräftemangel, da es heute immer schwieriger wird, den jungen Menschen den tatsächlichen Wert einer Ausbildung im Handwerk zu vermitteln, da gefühlt alle nur noch studieren sollen und nur noch nach großen Reichtümern streben – ein riesiges Problem, das wir haben.
Was man den jungen Leuten sagen kann, ist, daß sie einen für eine Volkswirtschaft unverzichtbaren und aufregenden Beruf haben und eine sichere Zukunft. Gut ausgebildete Handwerker werden immer gebraucht werden. Wer sich jetzt für das Handwerk entscheidet, dem stehen alle Türen offen. Was das angeht, ist es momentan sogar einfacher als früher.
Wie steht es im Bereich Ausbildung? Gibt es genügend Interessierte für das Handwerk und wie kann man evtl. die Jugend für das Handwerk begeistern?
Leider gibt es zu wenig Interessierte für eine kreative Arbeit in einer guten Mannschaft, wo man seine Tagesleistung sieht, wenn man nach Hause geht, da man diese mit seinen eigenen Händen geschaffen hat. Vielleicht sollte das Handwerk von der Politik wieder aktiver gefördert und beworben werden mit vielleicht staatlicher Unterstützung, um das Handwerk wieder auf seinen rechtmäßigen Platz zu heben und attraktiver zu machen. Anstatt viele Milliarden gefühlt überall hinzugeben, wäre vielleicht ein Anreiz, wenn man zum Beispiel Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr oder Ähnliches den Auszubildenden zur Verfügung stellt. Oder in den Schulen jungen Leuten schon beibringen, daß nicht jeder studieren muß, sondern dass ein Handwerk einen enormen Wert für die Gesellschaft hat und man dort auch Geld verdienen kann und vor allem langfristig gesehen eine sichere Arbeit hat. Dafür müssen natürlich die Qualität der Ausbildung und der abgelieferten Arbeit entsprechend sein, was, wenn richtig vermittelt, eine enorme Motivation sein könnte, sich für ein Handwerk zu entscheiden. Unser weltweit bisher ungeschlagenes duales Ausbildungssystem ist für diese Ansprüche genau das richtige. Allerdings gibt es dort auch einige Dinge, die verbessert werden müßten. Die Schulen und die überbetrieblichen Lehrgänge sollten sich noch mehr an dem Alltag im Handwerk orientieren. Zudem sollte die Zeit im Betrieb eventuell erhöht werden, um mehr Praxiserfahrung in der Ausbildung zu sammeln.
Wie sehen Sie die Zukunft im Handwerk?
Das Handwerk ist meines Erachtens wichtiger als je zuvor. Insofern blicke ich auch sehr positiv nach vorne. Irgendwann werden auch sehr viele merken, daß man nicht nur als Influencer oder als Studierter leben kann. Wer soll in einem Staat voller Hochschulabsolventen ein Haus bauen mit allem was dazu gehört? Wer mauert das Haus, wer macht den Dachstuhl, wer verlegt die Sanitär- und Elektroleitungen, wer putzt die Wände, verlegt das Parkett oder legt die Fließen? Das sind reale Werte und es werden mit den eigenen Händen wunderbare Dinge geschaffen. Ich denke, es wird irgendwann wieder die Einsicht kommen, wie wichtig das Handwerk für alle Menschen ist.
In dem Fall bin ich davon überzeugt, daß wenn man gute Qualität abliefert und sich einen guten Namen erarbeitet, man wieder junge Leute findet, die das Handwerk ernst nehmen und auch gerne wieder lernen.
[Name des Interviewpartners ist der Redaktion bekannt.]