Interview mit einem Handwerker.

Interview mit einem Handwerker.

Interview mit einem Malergeselle.

Guten Tag, ich möchte Sie bitten, einmal kurz zu schildern, wie Ihr Werdegang im Handwerk aussah.

Ich habe von 1985 bis 1988 in der ehemaligen DDR in der Provinz Sachsen meine Ausbildung zum Malergesellen absolviert und bin sehr stolz darauf, diese Ausbildung gemacht zu haben. Dort wurden viele grundlegenden Fähigkeiten vermittelt, wie zum Beispiel das Anrühren von Lackspachtel, Bierlasur oder das Ansetzen von Farbtönen aus den Grundrohstoffen. Heute wird alles schon industriell vorbereitet und das ist ein Wissen, welches verloren zu gehen droht.

In meiner Lehrzeit war die Ausbildung in der BRD schon zu großen Teilen an die Möglichkeiten der industriellen Herstellung von Farben, Lacken oder Kleister umgestellt. Es gab zwar noch viele Dinge, die manuell hergestellt wurden, aber schon nicht mehr so, wie ich es von Grund auf in der DDR gelernt hatte. Bis 1990 habe ich in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft als Maler gearbeitet und danach übersiedelte ich in die Rheinprovinz, wo ich meine handwerklichen Fähigkeiten immer weiter ausbauen konnte. Ich bin ein altgedienter Geselle und stolz darauf, denn mein Anspruch ist höchste Qualität.

Ist es nicht eintönig, immer nur als Geselle zu arbeiten, hatten Sie nie den Drang nach einer Meisterausbildung?

Den Drang hatte ich nie. Ich habe von Natur aus einen vielseitigen Beruf. Es ist immer abwechslungsreich und keine Baustelle ist wie die andere. Wenn man zum Beispiel eine alte Kirche saniert, muss man sich mit den historischen Bautechniken auseinandersetzen und dann in der Lage sein, diese professionell umzusetzen. Ein Meisterbetrieb ist immer nur so gut wie seine Gesellen, die in der Lage sind, alle Qualitätsansprüche umzusetzen.

Ich stehe mit vollem Herzen zum Handwerk und dazu, Geselle zu sein. Ich bin ein Macher und kann mir nicht vorstellen, den ganzen Tag in einem Büro zu sitzen und Buchhaltung oder dergleichen zu erledigen. Dafür gibt es ja die Meister. Es ist für mich die größte Befriedigung, wenn ein Kunde mit höchsten Qualitätsforderungen mit meiner Arbeit glücklich ist.

Haben Sie Bedenken, daß das Handwerk gegenüber der Industrie irgendwann verschwinden wird? Es gibt sogar schon fertig bespannte Wände, die einfach nur noch aufgestellt werden. Ist das Handwerk nicht dann bald überflüssig?

Nein. Es gibt nach wie vor Bereiche, vor allem historische, die sind durch Industrieprodukte nicht zu ersetzen. Es bedarf oft einer ruhigen Handführung, um den Anforderungen gewisser Aufgaben gerecht zu werden. Der Umstand, daß es einige industrielle Produkte im Malerbereich gibt, macht unseren Beruf sogar noch interessanter, da wir uns dann auf die Gebiete konzentrieren können, in denen nur manuelle Arbeit das Ergebnis liefert.

Das bedeutet, wir bekommen immer die herausforderndsten und spannendsten Einsatzfelder. Aber auch wenn maschinell hergestellte Teile in die Baustelle eingebaut werden, muss der Rest immer noch von einem versierten Handwerker bearbeitet und angepasst werden. Daher habe ich keine Sorge, daß das Handwerk ausstirbt oder überflüssig wird, da es immer zumindest Teilgebiete geben wird, wo man mit Maschinen nicht weiterkommt. Ich bin davon überzeugt, daß in Zukunft das Handwerk wieder einen viel größeren Stellenwert bekommen wird als heute, da die individuellen Qualitätsansprüche nicht immer von Maschinen umgesetzt werden können. Das Handwerk hat und wird es auch immer haben − einen goldenen Boden.

Was möchten Sie jungen Menschen, die über eine Ausbildung im Handwerk nachdenken, mit auf den Weg geben?

Es lohnt sich immer, einen handwerklichen Beruf zu erlernen. Man ist immer in Bewegung und hat ständig spannende neue Herausforderungen. Ich bin jetzt seit 35 Jahren Geselle und es gab noch keinen Tag, der langweilig war. Gerade wenn es um historische handwerkliche Praktiken geht, ist es immer wieder spannend, sich mit diesen auseinanderzusetzen.

Das sorgt einerseits dafür, daß man immer neue Fertigkeiten lernt und gleichzeitig daß diese Praktiken nicht aussterben. Ich stelle oft fest, daß viele dieser fast vergessenen alten Handwerkskünste den heutigen im Bereich Umweltfreundlichkeit und Langlebigkeit deutlich überlegen sind. Dabei denke ich an Lehm- oder Kalkputz, bei dem die Wände teilweise nach 400 Jahren keinen Schimmel ansetzen. Es gibt viel zu entdecken für junge Leute, die gerne praktisch arbeiten.