Holzwirtschaft oder eher Mißwirtschaft?
Dem Eiscafé um die Ecke gehen die Papierstrohhalme und Pappbecher aus, auch die Papiertüten am Selbstbedienungsregal für Backwaren im Supermarkt sind selten geworden. Man wird wieder mit Plastiktüten konfrontiert. Und wer seine regelmäßig erscheinenden Printmedien weiterhin drucken will, muss bisweilen seine Auflage zum selben Preis stark reduzieren oder teilweise fast doppelt so tief in die Tasche greifen. Die Gründe dafür sind Papierknappheit und Lieferprobleme. Wer regelmäßig im Wald spazieren geht, stellt kopfschüttelnd fest, daß geschlagenes Holz wochen- bis monatelang am Wegesrand gestapelt liegt, ohne abtransportiert zu werden. Wie paßt das denn zusammen? Von der Politik und der Wirtschaft wird uns doch Holzknappheit suggeriert.
Aufgrund der häufig stark wechselnden Witterungslage, die das ökologische Gleichgewicht der Natur durcheinanderbringt, sind die Wälder von Trockenheit, Stürmen und Käferbefall belastet. Rodungen vieler Waldflächen sind die Konsequenz. Der Markt sollte demzufolge einen Holzüberschuß vorweisen, tatsächlich liegt ein Mangel vor. Im eigentlich dicht bewaldeten Deutschland wird Holz immer teurer und knapper. „Zimmerer wissen kaum noch, woher sie die Latten für ihre Dachstühle nehmen sollen. Bauträger schlagen Alarm, zumal nicht nur Holz, sondern auch Stahl und Dämmstoffe für ihre Baustellen fehlen.“
Auch die Verpackungsindustrie ist beunruhigt: „Der deutsche Markt ist leergekauft. Viele größere Holzlieferanten beliefern den deutschen und europäischen Markt überhaupt nicht mehr. Früher haben wir Holz zu einem bestimmten Preis bestellt und bekamen die Ware kurz darauf zu diesem Preis geliefert. Jetzt muß ich meinen Lieferanten – wenn ich überhaupt noch welche finde – vorab einen Blankoscheck ausstellen. Das funktioniert nach dem Prinzip: Du bezahlst erst, wenn wir liefern. Und es gilt dann der bei Lieferung gültige Preis, wie hoch der auch immer sein mag. Und viele verarbeitende Betriebe zahlen dann einen Mondpreis, weil sie froh sind, daß sie nach bis zu zehn Wochen Lieferzeit überhaupt Holz bekommen und ihre Aufträge erfüllen“, schimpft Peter Hoffmann-Pichler, Geschäftsführer der IVH Industrieverpackung Heidenheim GmbH.
Aber wo geht das ganze Holz dann hin? „Die globale Nachfrage nach dem Baustoff Holz heizt in Deutschland den Export an. Mehr als die Hälfte davon ging in die Volksrepublik China.“ Die Importe der chinesischen Holzindustrie haben sich seit dem vor 20 Jahren eingeführten Einschlagverbot für Holz im Land selbst verzehnfacht. Auch der Bauboom in China sprengt alle zuvor bekannten Dimensionen. „Ein Insider aus der mittelständischen Baubranche teilte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit, daß China die Holzvorräte in Deutschland aufkauft.“ „Deutsche Bauunternehmen, die einen Aufpreis von etwa 200 Prozent zahlen, erhalten Holz von den deutschen Herstellern. Die Nachfrage ist enorm. China kauft alles auf. Nicht nur Baumstämme, sondern auch Konstruktionsholz wird an die Chinesen verkauft“, so der Informant. Gleichzeitig sind Plastik-Baumaterialien aus China nicht mehr verfügbar. „Seltsam ist, daß alles auf einmal passiert“.
„Diese Entwicklung treffe vor allem die kleinen und mittelständischen Bauunternehmen. Große Baukonzerne hätten dieses Problem nicht, da sie die Aufpreise problemlos auf die Auftraggeber (meistens der Staat) umlegen können. Sie würden vorrangig die öffentlichen Bauaufträge erhalten. Insolvenzen beim deutschen Bau-Mittelstand sind somit nicht ausgeschlossen. Es bleibt völlig unklar, ob hinter dem Lieferstop von Baumaterialien aus China ein Vorsatz steckt.“
Auch in den USA herrscht eine hohe Nachfrage, weil der traditionelle Nachschub aus Kanada nach Bränden und Trump-Strafzöllen stockt. „Das Holz aus unseren Wäldern wird global verhökert, statt es regional zu nutzen“, warnt die WWF-Waldexpertin Susanne Winter. Dieser globale Bauboom sorgt für immer weiter steigende Preise. Ralf Sadowski, Geschäftsführer der Wilma Immobiliengruppe im Rhein-Main-Gebiet, beklagt, dass die Beschaffung von Holz immer schwieriger und zeitaufwendiger wird. Er vermutet außerdem, dass die Verknappung z. T. Künstlich erzeugt wird, ähnlich wie beim „Toilettenpapier-Effekt“ zu Beginn der Corona-Krise. „Wir vermuten, daß manche hamstern und ihre Lager vollknallen. Die Beteiligten in der Baubranche werden zu Rohstoffspekulanten“.
Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte im Frühjahr letzten Jahres eine Einschlagbeschränkung für Fichtenholz eingeführt, um danach wieder mehr Einschlag von Frischholz zu fordern. D. h. erst wurde den Waldbesitzern vorgeschrieben, nur bestimmte Holzmengen zu schlagen, – was zu einem Mangel führte; dann hieß es, daß der Holzeinschlag wegen Holzmangel wieder schneller möglich werden solle. Weiß die Politik nicht, was sie will?
Den Großsägewerken und Holzhändlern gegenüber stehen die Klein- und Mittelbetriebe und ihr Forsteigentum, vergleichbar mit David gegen Goliath. „Mit unserem Rohstoff werden Riesengewinne eingefahren, aber die Waldbauern profitieren kein Stück davon“, schimpft Schirmbeck, Präsident des deutschen Forstwirtschaftsrates. „Wir werden regelrecht abgezockt von den wenigen Holzhandelskonzernen, die den Markt dominieren.“ Hier zeigt sich wieder, daß der deutsche Mittelstand benachteiligt wird zum Wohle von Großkonzernen und dem Ausland.
[MW]
Quellenverweise.
Ausverkauf des deutschen Waldes.
Lieferengpässe und Preissteigerungen.
Bau-Mittelstand vor dem Kollaps.
➘ https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/der-markt-fuer-holz-ist-wie-leergefegt-17349478.html
Buch:
➘ „Weltsystem Crash. Krisen, Unruhen und die Geburt einer neuen Weltordnung.“ Max Otte, FBV, 3. Auflage 2020.
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