Die Hochzeit der Atome.
Ist ein Fusionsreaktor die Lösung für einen Großteil unserer Energieprobleme? Aktueller denn je ist die Suche nach einer Energiequelle, welche dem Hunger einer Industrienation nach sicherer, sauberer und bezahlbarer Energie gerecht werden kann.
Die Fusionsenergie, die Erzeugung von Strom durch Kernfusion, scheint eines der erstrebenswerten Modelle zu sein. Wir stellen fest, auch Fusionsenergie ist Atomenergie. Wir unterscheiden zwischen Kernspaltung, dem Gewinn von Energie durch Spaltung schwerer Atome – ein Beispiel ist Uran, das in leichte Atome wie z.B. Jod, Cäsium, Strontium, Xenon und Barium gespalten wird – und der thermonuklearen Kernfusion, bei welcher leichte Atome miteinander verschmolzen werden. Zum Beispiel werden zwei Isotope – Atome mit gleicher Anzahl von Protonen und Elektronen – des Wasserstoffes Deuterium und Tritium zu schwerem Helium fusioniert. Beide Methoden erzeugen Energie in Form von Wärme. Diese Wärme wird genutzt, um Wasser zu erhitzen, es wird Dampf erzeugt und damit werden Dampfturbinen betrieben. Diese wiederum erzeugen Strom. Man könnte meinen, wie schon zu Zeiten der Dampfmaschine.
Fusionsenergie kann nicht unkontrolliert Energie erzeugen. Die Produkte aus einer Fusion sind nur gering strahlende Elemente, keine gefährlichen Substanzen, welche nicht für die Waffenherstellung verwendet werden können. Für die Gewinnung von Energie mittels Fusion als unerschöpfliche Energiequelle spricht vieles. Es fällt zum Beispiel die langfristige Endlagerung der Stoffe aus der Kernspaltung weg. Das durch die Fusion von Deuterium und Tritium erzeugte Produkt ist Helium-4. Dieses ist ein nicht radioaktives Gas. Uranbrennstäbe dagegen müssen endgelagert werden. Weitere gering strahlende Elemente, die bei der Fusion entstehen, überzeugen mit einer Halbwertszeit von 10 Jahren – die Zeit, nach der die Hälfte der Atome aus einer festen Menge eines Isotops zerfallen. Die Halbwertszeit von Uran-235 beträgt 700 Millionen Jahre, bevor es in das stabile Bleiisotop übergeht. Die Radioaktivität von Helium-4 soll nach 100 Jahren so gering sein, daß das Material recycelt werden kann. Industrienationen der Welt arbeiten daran, eine stabile Kernfusion zu etablieren. Als anerkannte Energieform der Zukunft ist die Entwicklung Bestandteil zahlreicher Labore.
Europaweit forschen Wissenschaftler im Verbund. Die Kernfusionsanlage Joint European Torus (JET) erzeugte Anfang 2022 während einer Phase von fünf Sekunden Wärme von 59 Megajoule Energie. Diese bisher noch nie erreichte Menge an Energie in diesem Zeitraum zählt für die beteiligten Forscher von EURO Fusion aus Großbritannien als eindeutiger Beweis, mittels der Fusion sichere, nachhaltige und kohlenstoffarme Energie erzeugen zu können. Auch Ingenieure und Forscher des Instituts für Energie- und Klimaforschung (IEK) des Jülich Forschungszentrums beteiligen sich an JET mit wissenschaftlichen Expertisen. Die bisher angesprochene Fusionstechnologie behandelte die Fusion mittels magnetischen Einschlusses. Es wird über elektromagnetische Felder das Plasma aus Deuterium und Tritium eingeschlossen. Hier wird versucht, die natürliche Reaktion der positiv geladenen Wasserstoffkerne, sich gegenseitig abzustoßen, zu überwinden. Unter diesem kinetischen Druck und Temperaturen von 10 Millionen Grad Celsius bilden die Atome ein Plasma. Um einen echten Energiegewinn, (Netto-Energiegewinn) zu erzielen, müssen Dichte und Einschlußdauer des Plasmas gewisse Bedingungen erfüllen. Die Energie wird gewonnen, indem durch die Behandlung mit Druck und Hitze die freien Neutronen, die aufeinanderstoßen, eine noch viel größere Hitze erzeugen, um Wasser zu erhitzen, welches dann Dampfturbinen antreibt.
Eine weitere Variante ist die Trägheitsfusion. Hier wird der Brennstoff Deuterium und Tritium in einem millimetergroßen kugelförmigen Fusiontarget durch schnelle Energiezufuhr über die Oberfläche verdichtet und auf eine Temperatur von 100 Millionen Grad Celsius erhitzt. Voraussetzung, daß die bei der Fusion erzeugten Heliumatomkerne ihre Energie in den Brennstoff wieder abgeben, ist die mehrere tausendfache Kompression. Auf diese Art kann ein großer Teil des Brennstoffes durch Kernfusion abbrennen. Die Einschlußdauer, um diese Fusion zu bewirken, beträgt Nanosekunden. Innerhalb dieser Zeit schafft es die Masseträgheit des Plasmas selbst, sich zusammenzuhalten. Das führt zur Bezeichnung Trägheitsfusion. Diese Trägheitsfusion ist auch bekannt als „Miniaturwasserstoffbombe“.
Der spektakulärste Versuch gelang China. Im Januar 2022 vermeldete die in der in Ostchina ansässigen Stadt Hefei, daß im Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) eine Temperatur von 70 Millionen Grad Celsius erreicht wurde. Diese Temperatur konnte über 1056 Sekunden aufrecht gehalten werden. Fünfmal heißer als unsere Sonne. Zuvor konnte ein Reaktor in Frankreich 390 Sekunden lang seine Temperatur halten. Auch an der deutschen Ostsee steht eine Forschungsanlage. Der Name lautet Wendelstein 7-x. Wie in China wird auch hier mit extrem starken Magneten gearbeitet. Alternative Forschungen, die auf Laser anstatt Magneten setzen, betreibt das Startup Marvel Fusion. Wie lange kann es aufgrund dieser großen Anstrengungen und Erfolge noch dauern, bis wir Energie aus dieser sauberen, tatsächlich umweltschonenden Energiequelle beziehen können?
Der Bedarf ist zumindest da. Nicht nur der Pizzabäcker kann im Moment seinen Ofen nicht mehr heizen. Sondern auch die Hochöfen bleiben in Deutschland kalt. Uns allen ist bewußt, daß der inzwischen in unserer Heimat abgeschaffte Strom aus Kernspaltung unsere Hochtechnologie-Industrie bisher am Laufen gehalten hat. Aufgrund enorm gestiegener Preise für alle Energieformen stehen viele Unternehmen vor der Entscheidung: Produktionseinschränkung, Produktionseinstellung oder Unternehmensverlagerung ins Ausland. Es wird Zeit, sich mit Energiequellen zu beschäftigen, die – geht es nach der gewählten Regierung – als umweltfreundlich definiert sind. Wind- und Solarenergie können dazu beitragen, doch was ist, wenn der Wind wegbleibt und die Sonne nicht scheint? Mal abgesehen von den ebenfalls nicht unerheblichen Problemen bei der Entsorgung dieser Technologien. Derzeit wird der in Deutschland fehlende Atomstrom teuer aus dem Ausland, zum Teil von dortigen Atommeilern, eingekauft. Wäre es nicht sinnvoll, anstatt vier bis fünf neue Windräder pro Tag zu bauen, dieses Geld in z. B. das Vorantreiben der Forschung zur Fusionsenergie zu nutzen? Auch im Hinblick auf die großen Mengen verbrauchter Landflächen, um am Ende doch Strom aus Kernspaltung zu kaufen. Energie, die ein Land selbst erzeugt, macht das Land, die Industrie und die Menschen unabhängig. Ist das nicht erstrebenswert?
[AG]
Quellenverweise.
Kernfusion mit großem Potential.
➘ https://www.bundesregierung.de/breg-de-suche-kernfusion-2005998
Kernfusion kurz vor dem Durchbruch.
Was ist Fusionsenergie?
➘ https://de.wikipedia.org/wiki/Fusionsenergie
Weitere Quellen:
➘ https://www.business-punk.com/2022/01-kuenstliche-sonne-aus-china-fusionsreaktor-bricht-rekord/
➘ https://www.scienceinschool.org/de/article-2021-fusion-vs-fission-de/
➘ https://www.chemie.de/lexikon/Fusion_mittels_magnetischen_Einschlusses.html
➘ https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik-energie-fusionsenergie/
➘ https://winfuture.de/news,131904.html
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