Steuerbetrug im großen Stil.

Steuerbetrug im großen Stil.

Während Otto Normalverbraucher alljährlich auf seine Steuerrückerstattung vom Finanzamt hofft, haben es findige Finanzjongleure geschafft, sich zwischen 2000 und 2020 Steuern erstatten zu lassen – Steuern, die sie vorher gar nicht abgeführt hatten. Der Schaden im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex und Cum-Cum-Geschäften wird mit rund 90 Mrd. Euro beziffert, die anderswo – etwa bei der Sanierung von Schulgebäuden – dringend benötigt würden.

Der Griff in die Staatskasse durch Cum-Ex-Geschäfte beläuft sich nach den Berechnungen von Professor Dr. Christoph Spengel, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Mannheim, alleine für die Bundesrepublik auf 39,5 Mrd. Euro. Stengel brachte durch Fachaufsätze seit 2015 die Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung dieser Praktiken ins Rollen. Das internationale Recherchenetzwerk „Correctiv“ um den Journalisten Oliver Schröm griff die Thematik auf und veröffentlichte im Oktober 2021 seine Ergebnisse zum größten Steuerraub in der Geschichte Europas unter dem Titel „CumEx-Files 2.0“.

Was bedeuten Cum-Ex und Cum-Cum? Unternehmen zahlen ihren Anteilseignern meist einmal jährlich einen Gewinnanteil aus, die Dividende. Um den Stichtag dieser Zahlung herum werden die Wertpapiere zwischen Banken, Privatinvestoren etc. hin- und hergeschoben, so daß man hinterher nicht mehr eindeutig nachvollziehen kann, wer wann im Besitz der Aktie war. Nur einer der Beteiligten erhält die Dividende (Cum) und entrichtet die Kapitalertragsteuer. Die anderen Beteiligten erhalten keine Dividende (Ex) und führen folglich auch keine Steuer dafür ab; sie täuschen jedoch gegenüber dem Finanzamt vor, die Steuer entrichtet zu haben.

Ausländische Investoren dürfen für die Kapitalertragssteuer auf inländische Wertpapiere keine Rückerstattung von der Finanzverwaltung erwarten. Sie greifen zu einem anderen Trick. Vor dem Stichtag der Dividendenzahlung leiht der ausländische Aktieninhaber die Aktie einer deutschen Bank. Die Bank zahlt dafür eine Gebühr in Höhe von ca. 90 % der Dividende. Die Bank kassiert die Dividende, gibt die Aktie kurz nach dem Dividendenstichtag zurück, führt die Kapitalertragssteuer ab und holt sich diese später vom Fiskus zurück. Der ausländische Investor hat somit 90 % der Dividende steuerfrei eingestrichen. Diese Praxis wird als Cum-Cum bezeichnet.

Laut Prof. Spengel dürfte der durch Cum-Cum-Geschäfte entstandene volkswirtschaftliche Schaden mit geschätzten 50 Mrd. Euro noch höher liegen als bei den Cum-Ex-Geschäften.

Der jetzige Bundeskanzler der BRD, Olaf Scholz, sorgte im Cum-Ex-Skandal erneut für Schlagzeilen, kaum nachdem sich die Wogen bezüglich seiner Rolle als damaliger Bundesfinanzminister im Wirecard-Skandal geglättet hatten. Scholz war von 2011 bis 2018 erster Bürgermeister von Hamburg.

Im Jahre 2016 ermittelte das Kölner Finanzgericht im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften u. a. gegen die Warburg Bank Hamburg und dessen Vorsitzenden Christian Olearius. Die Kölner Strafverfolger informierten die Hamburger Behörden darüber, daß der Warburg-Bank zwischen 2006 und 2011 für illegale Cum-Ex-Geschäfte bis zu 170 Millionen Euro Steuern erstattet wurden.

Im Oktober 2016 forderte dann das Finanzamt Hamburg dieses Geld zurück. Nachdem diese Entscheidung durch die Behörden gelaufen war, verzichteten die Hamburger plötzlich auf dieses Geld. Erst nachdem das Bundesfinanzministerium eingeschritten war, wurde die Warburg Bank zur Rückerstattung aufgefordert. Im Zuge der Ermittlungen gegen die Warburg Bank kam ans Licht, daß Olearius sich außer mit dem damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs auch mit Olaf Scholz getroffen hatte.

Laut eines Presseberichtes soll Olearius nach einem Gespräch mit Scholz dessen Reaktion hinsichtlich des Gebarens der Warburg-Bank interpretiert haben, „daß wir uns keine Sorgen zu machen brauchen.“ Scholz berief sich auf Erinnerungslücken, als im parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Hamburger Senats geklärt werden sollte, warum das Finanzamt der Warburg Bank derart großzügige Steuergeschenke machen wollte.

Ob ein schlechtes Gedächtnis oder ein gegebenes Ehrenwort: Es hinterläßt einen faden Beigeschmack, wenn selbst in den höchsten politischen Ämtern bei der Aufklärung unklarer Sachverhalte nur das Nötigste preisgegeben wird.

[LIS]


Richtigstellung zum Artikel „Steuerbetrug im großen Stil.“

In dem Beitrag „Steuerbetrug im großen Stil.“ wird behauptet, der CumEx-Skandal ereignete sich nach dem Wirecard-Skandal. Die zeitliche Abfolge dieser beiden Ereignisse war umgekehrt.

Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.


Quellenverweise.

https://www.kredite.de/Wiki/cum-ex-geschaefte

https://www.finanzwende.de/themen/cumex/olaf-scholz-und-die-warburg-bank/

https://www.schildverlag.de/2022/01/16/cum-ex-skandalkanzler-scholz-ist-er-bald-der-luege-ueberfuehrt-und-mitschuldig/

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/oliver-schroem-ueber-cum-ex-geschaefte-150-milliarden-euro-schaden-100.html

https://www.kreiszeitung.de/politik/olaf-scholz-skandale-wirecard-cum-ex-und-brechmittel-90953285.html

https://www.tagesschau.de/eilmeldung/cum-ex-bgh-urteil-101.html

https://www.uni-mannheim.de/news/cumex-files-20-neuberechnung-des-steuerschadens-durch-cum-ex-cum-cum/

https://de.wikipedia.org/wiki/CumEx-Files

https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2017/heft/7/beitrag/kollektivversagen-cumcum-cumex-und-hopp.html

https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Cum-Ex-Affaere-Scholz-wusste-offenbar-von-Vorermittlungen,cumex424.html


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