Regierungsberatung und der Lobbyismus.

Regierungsberatung und der Lobbyismus.

„Unser Parlamentarismus lebt von Kontakten mit Lobbygruppen und Interessenverbänden.“ Das ist legitim. Eine Demokratie lebt vom Austausch mit Lobbygruppen, die als Bindeglied zwischen Gesellschaft und Politik betrachtet werden können. Diese Art der Einflußnahme ist sogar durch das Grundgesetz der Bundesrepublik geschützt. Lobbyverbände können in ihren unterschiedlich verankerten Branchen auf ein breit gefächertes Fachwissen zurückgreifen, von dem die politische Arbeit und dadurch schlußendlich auch die Gesellschaft profitieren. Deshalb ist ein solcher Austausch in einer Demokratie grundsätzlich wünschenswert und nützlich.

Die Regierungsberater werden bisweilen auch „Einflüsterer“ genannt. Sie bieten nicht nur ihr branchenspezifisches Fachwissen an, sondern fordern umgekehrt auch Einfluß auf Debatten und Gesetze. Vor allem Branchen mit starken Lobbyverbänden wie die Pharmaindustrie haben die Macht und lenken die politischen Geschicke in Berlin und Brüssel aus dem Hintergrund heraus. Zur Arbeit der Lobbyisten gehört es auch, sich ein enges Netzwerk in der Politik aufzubauen. Zu den Interessenvertretern zählen z. B. Unternehmensverbände, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und Sozialverbände. Weiterhin haben auch PR-Agenturen, Rechtsanwaltskanzleien und Denkfabriken die Informationsbeschaffung für ihre Kunden oder Mandanten sowie das Herstellen von Kontakten zu hochrangigen Persönlichkeiten und das Herantragen von Themen zum Geschäftsmodell gemacht.

Der größte Lobbyverband – der Verband der Chemischen Industrie – hat seinen Sitz direkt in Sichtweite des Bundestages. Das tägliche Geschäft dieser Lobbyisten besteht aus persönlichen Gesprächen mit Abgeordneten und Mitarbeitern in den Ministerien. Es gibt aber nicht nur Befürworter dieser Beraterarbeit. Der Verein „LobbyControl“ kritisiert den starken Einfluß von Lobbyisten und fordert mehr Transparenz. Bemängelt wird auch die einseitige Berücksichtigung von Wirtschaftsinteressen und die Schwierigkeit von Gewerkschaften, Verbraucherverbänden und schwächeren Interessengruppen, ihre Anliegen einzubringen.

Im Digitalsektor z. B. Kontrollieren Konzerne den Zugang zu ihren Plattformen, sammeln Daten und nutzen diese Macht zu ihren Gunsten. Das führt dazu, daß die Interessen der Bürger zu kurz kommen. Die Ursache für dieses Ungleichgewicht liegt u. a. darin, dass große Unternehmen an Macht und Einfluß gewonnen, entsprechend finanzstarke Wirtschaftsverbände haben und daher viele Mitarbeiter beschäftigen können, welche Protokolle, Gutachten, Studien und Gesetzesentwürfe lesen und auswerten. Auf diese Weise bekommen sie politische Veränderungen schon im Ansatz mit und können entsprechend reagieren. Außerdem leisten sich zahlungskräftige Verbände die Mitarbeit von ehemaligen Regierungsmitgliedern und Abgeordneten und sind damit gegenüber kleineren Verbänden im Vorteil. Daher hat es auch immer wieder ein „Geschmäckle“, wenn Politiker nach ihrer politischen Karriere die Seite wechseln und ihr Wissen sowie ihre Kontakte als Lobbyisten zur Verfügung stellen. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Parteienfinanzierung durch Großspenden ab 50.000 € von Wirtschaftsunternehmen oder Einzelpersonen. Denn wer Geld gibt, möchte damit seine Interessen vertreten sehen. Zu den letzten vier Jahren unter Kanzlerin Merkel sagt Imke Dierßen, Geschäftsführerin bei LobbyControl: „Diese Wahlperiode wird uns aber auch wegen beispielloser Lobby- und Korruptionsskandale in Erinnerung bleiben“. So sei beispielsweise der Wirecard-Skandal ein Musterbeispiel für einen unzureichend regulierten Lobbyismus: „Dem Konzern gelang es nämlich, mithilfe eines Lobbynetzwerks aus ehemaligen Spitzenpolitikern und Spitzenbeamten Einfluss auf die Bundesregierung zu nehmen, dort Unterstützung zu erreichen bis hin ins Kanzleramt.“ (Imke Dierßen). Fakt ist jedoch, daß Regierung und Lobbyisten immer näher zusammenrücken und Hand in Hand Beschlüsse fassen – zum Nutzen der Wirtschaft und zum Schaden der Bürger.

Ein erster Ansatz, dem entgegenzusteuern, ist das am 1. März 2022 eingeführte Lobbyregistergesetz. „Professionellen Interessenvertretern drohen hohe Bußgelder bis 50.000 €, wenn sie nicht im neuen Lobbyregister verzeichnet sind.“ Der Vorsitzende von „Transparency International Deutschland“, Hartmut Bäumer, erklärte, das Register spiegele „die letztendliche Wirkung der Lobbyarbeit nicht wider“. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, müsse das Lobbyregister jetzt „zügig durch einen legislativen beziehungsweise exekutiven Fußabdruck ergänzt werden“. Diese Regelung soll genau dokumentieren, inwieweit es eine Einflußnahme durch Lobbyisten auf Gesetzgebungsprozesse bis zum Vorliegen einer Kabinettsvorlage gegeben hat.

Es ist zweifelhaft, ob durch einen Eintrag in einem Register die Intervention zum Nachteil der Bürger reduziert wird.

[LÖ]

Quellenverweise.

Lobbyismus höhlt die Demokratie aus: Zehn Thesen.

https://www.lobbycontrol.de/lobbyismus-hoehlt-die-demokratie-aus-zehn-thesen/

Interessenvertreter in der Politik. Eine „stille Macht“?

https://www.lpb-bw.de/lobbyismus

Transparenzregeln im neuen Lobbyregister.

https://www.tagesschau.de/inland/lobbyregister-bundestag-101.html

Ein Lehrstück über Lobbyismus in der Pandemie.

https://www.tagesschau.de/inland/lobbycontrol-109.html


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