Beratung für die Regierung – hat sie keine eigenen Experten?

Beratung für die Regierung – hat sie keine eigenen Experten?

In den letzten Jahren hat die Bundesregierung immer mehr Geld für externe Berater ausgegeben, obwohl in den Bundesministerien fast 500.000 Menschen arbeiten. Wenn die Regierung nicht weiterkommt, engagiert sie externe Berater. Doch was diese kosten, was sie bringen und wer welchen Auftrag bekommt, ist kaum nachvollziehbar.

Aus Antworten des Finanzministeriums auf Anfragen des Linken-Abgeordneten Matthias Höhn geht hervor, daß das Innenministerium mit ca. 204 Mio. EUR mit Abstand das meiste Geld in Beratungen von außen steckt. Beim Gesundheitsministerium sind es „nur“ knapp 42 Mio. EUR. Der Abgeordnete sieht darin eine massive Steuerverschwendung und warnt, wie auch der Bundesrechnungshof vor der möglichen Einflußnahme von Firmen auf Staat und Gesetzgebung. Außerdem kritisierte er die steigenden Ausgaben scharf. „Für viele Menschen war 2020 eine wirtschaftliche Katastrophe. Aber externe Berater machen in der Pandemie weiterhin satte Gewinne“.

Schon 2019 waren die Kosten für Beratungsfirmen um 63 Prozent auf knapp 300 Mio. Euro gestiegen. „Ausgangspunkt war damals der Beraterskandal im Verteidigungsministerium. Und es gibt zwei generelle Probleme damit: Das Eine ist, daß es natürlich Steuerverschwendung ist, weil externe Berater im Regelfall immer teurer sind als die eigenen Beamten im Ministerium. Und das Zweite: Die Unabhängigkeit des Staates ist gefährdet. „Wenn ich viele private Firmen ins Ministerium hole, dann beeinflussen die natürlich auch die Arbeit und die Entscheidungen in Ministerien“, so Höhn.

Der Bundesrechnungshof kritisiert seit langem, daß der Bund seine Kernaufgaben wie das Verfassen von Gesetzen mit eigenem Personal bewältigen muß, um Einflußnahme von Unternehmen zu verhindern. Das Gesundheitsministerium hat 2020 im Rahmen der Pandemie Verträge mit einem Gesamtvolumen von 103 Mio. EUR mit externen Dienstleistern abgeschlossen. Damit hat der Bund wesentlich mehr für Corona-Beratung ausgegeben als die Ende 2020 bezifferten 33 Mio. EUR. Zudem hatte er sich über Monate geweigert, konkrete Auftragnehmer und Auftragswerte zu benennen und dies mit dem Schutz von Betriebsgeheimnissen der Unternehmen begründet.

Mit einem Gesamtvolumen von fast 40 Mio. EUR ist ausgerechnet der Prüf- und Beratungsriese Ernst & Young (EY), der aktuell wegen seiner Rolle im Wirecard-Skandal massiv in der Kritik steht, damit der wichtigste Corona-Berater des Bundes. Trotz heftiger Beanstandung hinsichtlich seiner Rolle im Wirecard-Skandal ist EY erstmals zum größten Auftragnehmer des Bundes aufgestiegen. Demnach bezahlte der Bund von Januar 2020 bis April 2021 insgesamt 28,4 Mio. EUR an Beratungsunternehmen. Diesen Aufstieg verdankt EY den Aufträgen des Gesundheitsministeriums im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzmasken. Neben den Großaufträgen von Spahns Ressort kam Ernst & Young auch bei zwei kleineren Aufträgen des Wirtschaftsministeriums zum Zuge. Scharfe Kritik an der Auftragspolitik der Bundesregierung äußerte Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi, vor allem mit Blick auf das Gesundheitsministerium. Spahn habe „mitten im Maskenchaos einen goldenen Vertrag an EY ohne Ausschreibung vergeben“. De Masi fügte hinzu, es sei zwar legitim, daß sich ein Ministerium in Notlagen Unterstützung ins Haus hole. „Es ist aber nicht legitim, wenn das für lange Zeiträume ohne Ausschreibung geschieht und die gebotene Distanz zwischen Beratern und Ministerien verlorengeht. Das weckt ungute Erinnerungen an den Beraterfilz aus dem Verteidigungsministerium“, sagte er. Zudem schaffe es Mißtrauen, wenn die Bundesregierung Fragen von Abgeordneten zunächst nur unvollständig beantworte und für die Bearbeitung einer Kleinen Anfrage ganze zwei Monate brauche.

Bis heute sind die Berater und Anwälte von Ernst & Young damit beschäftigt, die Folgen des chaotischen Einkaufsverfahrens für Schutzmasken aus dem Frühjahr 2020 zu bereinigen. Der Einsatz der Berater hinterläßt viele Fragen: Wie konnte es sein, daß dieser riesige Staatsauftrag notwendig wurde, warum reichten die Beamten des zuständigen Ministeriums nicht? Warum wurde ausgerechnet EY beauftragt? Wie konnte es dazu kommen, daß sich das Ganze am Ende trotz der teuren Beratung von außen zu einem Skandal entwickelte?

Es wirkt wie eine Mischung aus Vetternwirtschaft, Korruption und Lobbyismus zum Nachteil des Steuerzahlers, der das am Ende alles finanzieren muß.

[RHÖ]

Quellenverweise.

Ausgaben der Bundesregierung für externe Berater steigen:

https://www.rnd.de/politik/berater-bundesregierung-steigert-ausgaben-fur-mckinsey-und-co-XEYNB7NU7LMBG35GASTIMD3KCE.html

Fast 80 Mio EUR für externe Corona Beratung:

https://www.capital.de/wirtschaft-politik/bund-zahlte-2020-fast-80-mio-euro-fuer-corona-beratung

Drastische Ausgaben der Bundesregierung für externe Beratung:

https://www.deutschlandfunk.de/bundesregierung-ausgaben-fuer-externe-berater-drastisch-100.html

https://www.capital.de/wirtschaft-politik/dank-spahn-auftraegen-ey-ueberholt-big-four-rivalen


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