Volle Breitseite.

Volle Breitseite.

Russisches Roulette mit der Wirtschaft.

Russische Bodentruppen sind im Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert. Damit ist vor über einem Jahr der seit langem schwelende Konflikt zwischen der Russischen Föderation und den Westmächten um die Ukraine in eine neue Phase eingetreten.

Bereits im März 2014 versuchte die EU durch verschiedene Maßnahmen, wie z. B. das Einfrieren von Vermögenswerten, Rußland in die Knie zu zwingen. Im Februar 2022 wurden die Maßnahmen im sogenannten ersten Sanktionspaket erweitert durch Beschränkungen der Wirtschaftsbeziehungen, sowie dem Zugang Rußlands zu den Kapital- und Finanzmärkten.

Bis März 2023 wurden die Sanktionen immer wieder erweitert bzw. modifiziert, sodaß – Stand März 2023 – das zehnte Sanktionspaket in Kraft ist. Was haben diese Maßnahmen bisher bewirkt? Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) kam in einer Studie im Februar 2022 zu dem Fazit, weitere Sanktionen gegen Rußland hätten „negative Folgen für Rußland, EU und Ukraine“.

Aufgrund seiner niedrigen Verschuldung habe Rußland einen „beträchtlichen fiskalen Puffer“. Die Sanktionen würden allenfalls langfristig Wirkung zeigen. Das wiiw prognostizierte darüber hinaus „erhebliche direkte und indirekte wirtschaftliche Folgen für die EU. (…) Die am stärksten gefährdeten Länder sind Deutschland, Österreich und große Teile Mittel- und Osteuropas.“

Auch der Ökonom Hans-Werner Sinn warnt vor möglichen massiven Auswirkungen für Deutschland durch den Verzicht auf Energieträger aus Rußland. Die in Folge der Sanktionen niedrigen Energiekosten für andere Staaten würden diesen einen Wettbewerbsvorteil bringen; allen voran China. Der langjährige Chefvolkswirt des Allianz-Konzerns Michael Heise spricht von der „Erwartung einer rezessiven Entwicklung vor allem in den europäischen Volkswirtschaften“.

Das statistische Bundesamt gab im März 2022 bekannt, daß importiertes Erdgas im Februar 2022 ca. dreieinhalb Mal so teuer war als ein Jahr zuvor. Im selben Zeitraum stiegen die Energiekosten für Privathaushalte zwar „nur“ um 22,5 %, die Preissteigerung für die Industrie um 194 % wirkte sich jedoch in Form einer allgemeinen Teuerung auch auf die Privathaushalte aus. Die Sanktionen haben also scheinbar für die sanktionierenden Staaten mindestens ebenso große Nachteile wie für Rußland.

Unter den marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten haben die Staaten einen Wettbewerbsvorteil, die sich nicht an den Sanktionen beteiligen. Das sind immerhin 85 % der Weltbevölkerung. China hat als größter Exporteur für Rußland Deutschland schon vor dem Krieg abgehängt und kann nun seine Vormachtstellung ausbauen. Auch die USA könnten langfristig durch die Abschottung Europas von Rußland wirtschaftlich profitieren.

Cui bono – wem zum Vorteil?

Der Geostratege George Friedman bescheinigt Deutschland eine herausragende Rolle im Ukraine-Konflikt. Friedman, ehemaliger Chef des geopolitischen Informationsdienstes „stratfor“, hielt 2015 eine erfrischend aufrichtige Rede vor dem renommierten „Chicago Council“. „Das Hauptinteresse der US-amerikanischen Außenpolitik des letzten Jahrhunderts, im ersten und im zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg, waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland. Vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse war sicherzustellen, daß dieser Fall nicht eintritt.“

Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt meinte Friedman: „Wer mir eine Antwort darauf geben kann, was die Deutschen in dieser Situation tun werden, der kann mir auch sagen, wie die nächsten 20 Jahre Geschichte aussehen werden“. Wen genau Friedman mit „die Deutschen“ meint, verrät er uns nicht. Er dürfte jedenfalls nicht die Bundesregierung gemeint haben, denn die gibt sich erwartungsgemäß unterwürfig gegenüber den USA. Angaben darüber, was die Deutschen tun könnten, macht der Stratege ebensowenig. Es hat jedoch den Anschein, daß Deutschland in dieser Angelegenheit das Zünglein an der Waage ist.

[LIS]

Quellenverweise.

Auswirkung der Sanktionen auf die EU.

https://tkp.at/2023/03/27/die-auswirkungen-der-sanktionen-auf-die-europaeische-union/

Statistisches Bundesamt zur Energiepreisentwicklung.

https://www.destatis.de/DE/Presse-Pressemitteilungen-2022/03/PD22_N016_61.html

Deutschlands Rolle im Ukraine-Konflikt.

https://gesetze-ganz-einfach.de/george-friedman-stratfor-rede-2015/

Weitere Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Minsk_II

https://www.consilium.europa.eu/de/policies-sanctions-restrictive-measures-against-russia-over-ukraine/sanctions-against-russia-explained/

https://www.anti-spiegel.ru/2022/die-russland-sanktionen-sind-gefloppt-und-schaden-nur-europa-?doing_wp_cron=1680004952.2904090881347656250000

https://www.theeuropean.de/michael-heise/erste-gros-analyse-was-die-sanktionen-gegen-russland-bewirkt-haben-2/

https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/folgen-fuer-die-eu-russland-sanktionen-hans-werner-sinn-warnt-vor-staerkung-chinas-11109565

https://nex24.news/2022/02/sanktionen-negative-folgen-fuer-russland-eu-und-ukraine/

https://www.consilium.europa.eu/de-policies-sanctions-restrictive-measures-against-russia-over-ukraine-history-restrictive-measures-against-russia-over-ukraine/

https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/neuaufstellung-europas-eu-gipfel-voraus-folgen-von-krieg-und-russland-sanktionen-mittelpunkt-der-beratungen-11109465

https://de.euronews.com/2021/10/07/5-grafiken-energiekrise-in-europa

https://tkp.at/2023/03/21/85-der-weltbevoelkerung-beteiligen-sich-nicht-an-sanktionen-gegen-russland-bloomberg/

https://www.tagesschau.de/ausland-europa-ukraine-bombardements-101.html

https://www.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw


Werte Leser, sollten Sie feststellen, daß die angegebenen Quellen nicht mehr aufrufbar sind, bitten wir um einen entsprechenden Hinweis über unser Kontaktformular.