Königsberg – Kaliningrad. Mögliche Chance für Europa an der Ostseeküste?

Königsberg – Kaliningrad.  Mögliche Chance für Europa an der Ostseeküste?

Das alte ostpreußische Königsberg (z. Zt. Kaliningrad) ist mal wieder zum Zankapfel der anliegenden Staaten geworden. Zum einen wird die momentan russisch verwaltete Stadt von Polen beansprucht, zum anderen will Litauen den Landweg der Exklave an Rußland abschneiden. Als Reaktion wirft Rußland Litauen „Feindseligkeit“ vor, wegen der Einschränkungen des Transits nach Kaliningrad. Rußland drohte mit Konsequenzen, während Litauen sich auf die EU-Sanktionen berief, die wegen des Krieges in der Ukraine gegen Rußland verhängt wurden.

Die EU räumt ein, so bekräftigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, daß es nur um den Boykott bestimmter Waren gehe und nicht um lebenswichtige Güter für die Exklave. Wegen des Ukrainekrieges haben sich die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen den drei baltischen Staaten Litauen, Lettland, Estland und Polen zu Rußland weiter verschärft, denn alle vier Staaten rechnen mit russischen Übergriffen auf ihr Territorium. Inzwischen ist der Streit erstmal beigelegt, da die Europäische Union (EU) und Rußland sich auf den Transit von Waren in die Region Kaliningrad geeinigt haben. Brüssel hat ein Dokument vorgelegt, das Moskau „voll und ganz“ zufriedenstellt; dieses Schreiben besagt, daß es unmöglich ist, den Güterverkehr zwischen „Subjekten der Russischen Föderation einzuschränken“. Alle Waren werden laut dieser Vereinbarung von der Sanktionsliste gestrichen.

Königsberg hat eine abwechslungsreiche Geschichte: 1255 gegründet war die Stadt schon bald Hauptstadt Preußens. Nach 1410 wechselte der Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens von Marienburg nach Königsberg. 1525 rief Albrecht von Brandenburg das Herzogtum Preußen aus. 1701 krönte sich dort Friedrich I. zum König in Preußen. 1757 besetzten zum ersten Mal Russen die Stadt – verließen diese aber wieder, nachdem Zarin Elisabeth starb und ihr Sohn Peter III., ein glühender Verehrer Friedrichs des Großen, den Zarenthron bestieg. Auch seine Gattin Katharina die Große hielt den Frieden mit dem Preußenkönig. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war Königsberg eine pulsierende Stadt im östlichen Winkel des Deutschen Reiches. 1861 krönte sich Wilhelm I. dort zum Preußischen König und ließ sich huldigen. 1945 kam es aus Preußischer Sicht zur Katastrophe. Laut Potsdamer Protokoll wurde Königsberg der Sowjetunion zur Verwaltung übergeben. Die übriggebliebene deutsche Bevölkerung wurde auf Befehl Stalins vertrieben, in Züge gesetzt und in die damalige sowjetische Besatzungszone, die spätere DDR gebracht.

1946 wurde die Stadt in Kaliningrad umbenannt, nach Michael Kalinin, dem damals gerade verstorbenen Ministerpräsidenten der UdSSR unter Stalin. Kalinin ist insofern umstritten, da er als Schreibtischtäter an Kriegsverbrechen u. a. dem Massaker an polnischen Offizieren in Katyn beteiligt war. Deshalb favorisierten auch viele Russen eine Rückbenennung der Stadt, ähnlich wie in Sankt Petersburg oder alternativ nach „Kantstadt“ nach dem größten Sohn der Stadt Immanuel Kant (1724-1804) anstatt zu dem zu deutsch klingenden Königsberg.

Da die baltischen Staaten damals aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes 1939 unter sowjetische Herrschaft gelangten und dies auch wegen des von Deutschland verlorenen Krieges bis 1991 blieben, war Kaliningrad/Königsberg ein Teil der Sowjetunion Für diesen Teil bestand eine Landverbindung mit der Russisch Föderativen Sowjetrepublik über die Sowjetrepublik Litauen. Durch die Unabhängigkeit Litauens wurde Kaliningrad/Königsberg zu einer Insel für Rußland. Eine Lösung für Kaliningrad kann nur mit den Anrainerstaaten, Rußland und der Bundesrepublik Deutschland erfolgen, um weitere Konflikte dort einzudämmen. 2016 sagte Wladimir Putin, Kaliningrad wäre eine Kriegsbeute. Möglicherweise wäre die Lösung, die in den 90er Jahren Boris Jelzin angestrebt hat, eine Freihandelszone „Jantar“ (Bernstein) in dem Gebiet zu schaffen, immer noch die beste. Es wäre wünschenswert, wenn Königsberg/ Kaliningrad wieder so erblühen könnte wie zur Zeit Kants und das geht nur, wenn obengenannte Staaten an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Projekt für diese Region starten.

[MW]

Quellenverweise.

Streit um Transit nach Kaliningrad:

https://www.welt.de/politik/ausland-article239901371-Kaliningrad-Litauen-will-neue-EU-Leitlinien-zum-Transit-anwenden.html

Grenzstreitigkeiten mit Litauen wegen Kaliningrad:

https://www.br.de/nachrichten-deutschland-welt-kaliningrad-streit-moskau-stellt-litauens-grenze-infrage,T9kzR4n

Die Sowjetische Verwaltung des deutschen Königsberg:

https://www.spiegel.de/politik-geschichte-ist-ein-muttermal-a-de644bdc-0002-0001-0000-000013492262

➘ Gause, Fritz: Königsberg in Preußen. Die Geschichte einer europäischen Stadt Leer 1987.


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