1000 Jahre Familientradition bewahrt.
Kann uns die Landwirtschaft in Zukunft noch versorgen? Heute soll ein Raum für Menschen geschaffen werden, die offen und ehrlich Auskunft geben können, was es bedeutet, in der Landwirtschaft tätig zu sein.
Teil 2. Interview mit Vitus Schulze Wethmar.
1.Würden Sie mir die Ehre erweisen, sich und Ihren Betrieb kurz vorzustellen?
Ich bin Vitus Schulze Wethmar, 41 Jahre alt, Vater von vier Kindern und bewirtschafte gemeinsam mit meiner Familie einen sehr alten Betrieb. Die erste Erwähnung stammt aus dem neunten Jahrhundert, hier wird also seit 1.000 Jahren Landwirtschaft betrieben. Mein Vater hat sich 1988 entschlossen, umzustellen auf biologischen Anbau. Das war damals sehr schwierig, weil Bio bei Weitem nicht so in aller Munde war wie heute, weder im Anbau noch in der Vermarktung. Nach der Umstellungszeit von drei Jahren waren wir dann 1990 anerkannt Bio. Und so nahm alles seinen Lauf.
Die Vermarktung war damals noch sehr schwierig, sowohl von den klassischen landwirtschaftlichen Druschfrüchten wie Getreide als auch vom Gemüse. So kam die Idee, wir müssen hier etwas anbauen und auch hier vor Ort direkt verkaufen. Es fing an mit Spargel. Mein Vater war der erste bundesweit tätige Biospargelbauer. Spargel hatte damals eine Saison von Mai bis Juni. Die Kunden, die zu uns auf den Hof kamen, fragten, ob wir nicht noch Salat oder vielleicht mal Brokkoli mit anbieten. Sobald die Sachen Teil des Sortiments waren, fragten die nächsten Kunden, könnt ihr nicht noch Milch mit anbieten oder vielleicht noch Brot?
Und so hat sich das Ganze entwickelt, daß wir heute in unserem Hofladen über 1.500 Produkte anbieten, die ganze Bandbreite des Biosortiments eigentlich. Wir sind ein „Biovollsortimentler“, kann man sagen, mit dem Schwerpunkt auf die eigens erzeugten Produkte. Diese haben wir dann im Laufe der Jahre immer weiter intensiviert und versuchen, alles, was hiesig wachsen kann, anzubauen und direkt zu vermarkten.
2. Was hat Sie an der Landwirtschaft fasziniert und bereitet Ihnen besondere Freude?
Die erste Umstellungswelle war ja damals nach der BSE-Krise Anfang 2000 und jetzt insbesondere in den letzten fünf bis sechs Jahren waren noch mal große Umstellungswellen. Ich bin also nicht nur da reingewachsen, sondern tatsächlich mit aufgewachsen. Also das gibt es eher selten in Deutschland, ich bin ja ein Biobauer der zweiten Generation. Ich habe nach meinem Abitur eine klassische landwirtschaftliche Ausbildung in zwei Bio-Betrieben gemacht. Im Anschluß habe ich mich für ein klassisches Agrarstudium entschieden, um mich nicht nur Richtung Bio zu wenden und dabei den Blick auf das große Ganze zu verlieren.
Ich kenne nichts anderes und ich kenne nichts Besseres als die Biolandwirtschaft, so wie wir sie betreiben. Das Schöne ist, man sieht jeden Fehler und jedes Positive, das man gemacht hat. Wir lernen nicht nur von Saison zur Saison, sondern von Tag zu Tag immer noch dazu.
3.Welche Schwierigkeiten oder Probleme stehen dem in der heutigen Zeit gegenüber?
Der große Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft ist ja eigentlich, daß wir unser Ohr noch genauer und näher an der Natur haben müssen.
Wir sind noch viel abhängiger von dem Wetter, der Witterung und vom Klima, wo man konventionell kurzfristig mit Herbiziden, Pestiziden usw. Fehler ausgleichen kann. Die Herausforderung, die Kulturen bestmöglich gedeihen zu lassen, geschieht nur, wenn sie genug Nährstoffe, Wasser und insbesondere ausreichend Licht haben. Da liegt bei uns das Hauptaugenmerk auf der Beikrautregulierung von unerwünschtem Unkraut. Das erfordert sehr viel Zeit, Kapital und Arbeit.
Wir wirtschaften auf ca. 220 Hektar, das ist sehr arbeitsintensiv, benötigt also einen hohen Arbeitskräftebedarf bei uns in der Saison. Wir versuchen daher, möglichst viel zu investieren in moderne Technik, um die Handarbeit zu verringern. Und das ist eigentlich unsere tägliche Herausforderung.
4. Wie haben Sie es geschafft, eigenverantwortlich handeln zu können, was unterscheidet Sie von dem konventionellen Anbau, was war Ihre Strategie auf diesem Weg?
Ich weiß nicht, inwieweit es uns unterscheidet vom konventionellen Betrieb. Also jeder Landwirt ist ja immer noch eigenunternehmerisch tätig, es sind ja alles kleine Unternehmen. Es gibt natürlich im konventionellen Bereich Betriebe, die sich abhängig gemacht haben von einem Konzern, das geschieht aber auf freiwilliger Basis. Der überwiegende Teil der konventionellen Landwirtschaft ist aber immer noch selbstständig tätig. Was im Biobereich anders ist, die Vermarktungsstrukturen sind wesentlich kleiner. Man hat nicht mit drei, vier, fünf Global Playern zu tun, sondern kann aus vielen kleinen Vermarktungsstrukturen wählen und sich das Beste heraussuchen. Im Idealfall ist es immer die Direktvermarktung, also den direkten Kontakt zum Kunden zu haben. Nur ab einer bestimmten Betriebsgröße geht dies nicht mehr, dann muß man an den Handel herantreten und sich den Besten aussuchen. Auch das ist eine tägliche Herausforderung, die Vermarktung der Produkte.
Wie zu Beginn erwähnt, versuchen wir so viel wie möglich dem Kunden direkt anzubieten, aber auch immer neue Flächen hinzu zu pachten, um das Sortiment stetig auszubauen. Dementsprechend haben wir zu viel, um alles direkt zu vermarkten, was aber nicht schlimm ist, weil wir Bio auch der Allgemeinheit zugänglich machen wollen. Dafür haben wir verschiedene Vermarktungsstrukturen.
Unsere Betriebsschwerpunkte sind der Spargel-, der Möhren-, der Kartoffel-, Zucchini- und der Druschfrüchteanbau, wie Getreide oder Mais. Wir haben für jedes Produkt eine eigene Vermarktungsstruktur. Diese laufen über Erzeugergenossenschaften, durch Direktkontakt zum LEH (Lebensmitteleinzelhandel) oder über Biogroßhändler. Dabei geht jedes Produkt nicht an einen einzigen Kunden, sondern wir versuchen, uns möglichst breit aufzustellen, damit wir uns nicht so abhängig machen.
Herzlichen Dank für das Interview.
[MAB]
Den 1. Teil können Sie hier nachlesen: Interview Landwirte Teil 1.