Obst und Gemüse – mehr Schein als Sein.

Obst und Gemüse – mehr Schein als Sein.

Wer einen Supermarkt betritt, befindet sich zumeist als Erstes in der Obst- und Gemüseabteilung. Grüner Salat, rote Tomaten, gelbe Paprika, blaue Trauben, es leuchtet in bunten Farben mit makelloser Schale. Alles sieht appetitlich aus, so daß dem Kunden das Wasser im Mund zusammenläuft und Spaß aufs Kochen aufkommt.

Fast das ganze Jahr über gibt es Tomaten und Paprika, Erdbeeren im Februar aus Spanien und im Sommer aus Deutschland. Trauben kommen im Herbst aus Griechenland und im Frühjahr aus Chile. Mit Kiwis werden wir aus Neuseeland oder Italien versorgt. Es findet sich fast das ganze Jahr über alles was das Herz begehrt. Und dann die leckeren Erdbeeren, mmmhhh ein Biß….., Ernüchterung, wo bleibt das Geschmackserlebnis? Die meisten Erdbeeren sind groß, leuchtend rot aber hart und geschmacklos. Die Tomaten und Paprika? Haben früher auch mal besser geschmeckt. Was ist passiert?

Wer sich in den Geschäften umsieht, nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland, wird feststellen, daß Obst und Gemüse überall gleich aussieht und von Portugal bis Lettland fast überall dasselbe angeboten wird. Warum ist das so?

Obst- und Gemüsesorten müssen in Deutschland, wie in der gesamten EU, zugelassen werden. Die gesetzliche Grundlage dazu ist das Saatgutverkehrsgesetz. Es dient dem Schutz des Verbrauchers und der Versorgung der Landwirtschaft und des Gartenbaus mit hochwertigem Saat- und Pflanzgut gesunder, qualitativ hochwertiger und leistungsfähiger Sorten. Die wertbestimmenden Eigenschaften einer Sorte ergeben sich aus den im Anbau und im Labor geprüften Resistenz-, Ertrags-, Qualitäts- und Verwendungseigenschaften. Auf gut Deutsch heißt das: Für die Agrarindustrie und die Handelskonzerne zählen nur schnelles Wachstum, hoher Ertrag, gutes und gleichmäßiges Aussehen sowie gute Transport- und Lagerfähigkeit. Das was dem Verbraucher am wichtigsten ist, nämlich Geschmack und Vitamine, interessiert dabei nicht.

Die älteren Leser können sich wohl noch daran erinnern, daß Gemüse und Obst früher besser geschmeckt haben, daß es eine größere Auswahl an Sorten gab und viele Familien im Garten selber angebaut haben. Die alten Sorten sind zwar nicht so ertragreich wie die Neuzüchtungen, dafür aber schmackhaft und gesünder als die Hybriden. Außerdem sind die alten Sorten vermehrungsfähig – also sortenrein – im Gegensatz zu den neuen, bei denen jedes Jahr der Samen neu gekauft werden muß, da die Züchter für neue Hybridsorten teilweise Sortenschutz angemeldet haben.

Bis 2012 hat sich sogar jeder strafbar gemacht, der alte Sorten angebaut oder verkauft hat, egal ob Privatperson oder Bauer. Denn die alten Sorten bedeuten Konkurrenz und sind damit geschäftsschädigend für die Agrarindustrie. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfen die alten Sorten eingeschränkt wieder angebaut und verkauft werden. Der ehemalige grüne EU-Abgeordnete Graefe zu Baringdorf betonte damals, was die Richter erneut bestätigt hatten: Durch eine Ausnahmeregelung ist es Bauern durchaus erlaubt, Saatgut aus alten Pflanzensorten herzustellen und – mit einigen Einschränkungen – zu vermarkten.

Bis 2017 war es sogar möglich auf konventionell gezüchtete Pflanzen Patente zu erteilen. Seit Urzeiten züchten Menschen Pflanzen und Tiere mit nützlichen Eigenschaften. Ob Konzerne hierauf Patente bekommen dürfen, war lange umstritten. Größere Früchte, dickere Ähren, mehr Fleisch – es geht um Macht und Märkte. Werden konventionell gezüchtete Pflanzen, aber auch Tiere, als «Erfindungen» patentiert, können sie ohne Erlaubnis des Patentinhabers nicht für die weitere Züchtung genutzt werden. Das schränke Züchter und gerade kleine Bauern weltweit ein und könne sie in den Ruin treiben, argumentierten Patentgegner. Deshalb hatte die Große Beschwerdekammer als höchste Rechtssprechungsinstanz des Europäischen Patentamts (EPA) 2020 diese Patente verboten. Ausgenommen hiervon sind gentechnisch veränderte Pflanzen.

Wer also den Geschmack der alten Sorten wieder erleben möchte, findet diese am ehesten auf Bauernmärkten oder bei privaten Initiativen. Saatgut für den Hobbygärtner gibt es z. B. auf https://www.saat-und-gut.de/gemuese/alte-sorten/.

[RHÖ]

Quellenverweise.

https://www.samenhaus.de/gartenblog/alte-obst-und-gemuesesorten-wiederbeleben-was-sie-beachten-sollten

https://www.merkur.de/welt/hoechste-epa-instanz-verbietet-patente-auf-zuechtung-zr-13764920.html

https://taz.de/Europa-Urteil-zu-Saatgut/!5089146/

https://www.bundessortenamt.de/bsa/sorten/sortenzulassung


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