Banken enteignen Sparer.

Banken enteignen Sparer.

…und keiner merkt’s.


Sparen ist nach wie vor eine deutsche Tugend. Die Sparquote deutscher Haushalte schnellte 2020 auf ein Rekordhoch von 16,2%. Ist jedoch diese Art der Wertsicherung in einer Zeit von abenteuerlicher Geldpolitik wirklich werterhaltend?

Die Sparquote wird definiert als das Verhältnis von Ersparnissen zu Einkommen. Ein Anstieg der Sparquote konnte auch schon in den Jahren zuvor festgestellt werden. Durch fleißiges Sparen sammelten deutsche Sparer bis Ende 2020 ein beachtliches Geldvermögen von 7,1 Billionen EUR an. Dies entspricht ungefähr dem 20-fachen des jährlichen Bundeshaushaltes.

Allen Unkenrufen zum Trotz, selbst niedrige bis gar keine Zinsen konnten den Sparfleiß der deutschen Haushalte nicht bremsen. So erhalten Sparwillige derzeit von Banken 0,05% bis 0,10% Zinsen für kurze Anlagedauern angeboten. Wer sich für zwei Jahre oder mehr festlegen möchte, ist auch nicht viel besser dran. Die Angebote variieren dabei zurzeit zwischen 0,2% bis 0,5%. Das ist keine überzeugende Alternative wenn man bedenkt, daß man in dieser Zeit keinen Zugriff auf sein Erspartes hat und nicht auf Veränderungen am Kapitalmarkt reagieren kann. Aber was bleibt einem anderes übrig, als in diesen sauren Apfel zu beißen?

Das Ersparte zuhause zu deponieren ist nicht ratsam. Zinsen sind nur eine Seite der Medaille, für den Sparer interessant ist auch der sich verändernde Wert des Geldes. Dazu lohnt ein Blick auf die Inflation, denn diese bestimmt, wie viel der Sparer sich von seinem Ersparten in Zukunft kaufen können wird. Die übliche, von der Europäischen Zentralbank angestrebte, Inflationsrate beträgt dabei durchschnittlich 2%. So würde zum Beispiel ein Artikel, der heute 10 EUR kostet, in 10 Jahren 12,19 EUR kosten.

Auf ihrer Internetseite weist die Deutsche Bundesbank eine Inflation von 4,1% für den Monat September 2021 aus. Wenn die Inflation auf dem aktuellen Wert bleibt, würde der Artikel aus dem oben aufgeführten Beispiel schon nach 5 Jahren 12 EUR übersteigen.

Kurzum, unser Geld hat innerhalb von 12 Monaten eine Kaufkraft von 4,1% eingebüßt. Inflationsraten dieser Höhe sind zwar selten, müssen aber nicht unbedingt Grund zur Sorge sein, so lag zuletzt im Jahr 1992 die Inflationsrate bei 4,1%. Zur Einschätzung der Situation für den Sparer müssen wir neben der Inflation auch den Realzins betrachten. Vereinfacht ausgedrückt zeigt der Realzins an, wie hoch die Differenz zwischen Guthabenzinsen auf Spareinlagen und die Geldentwertung durch Inflation ist.

1992 konnte man mit Sparbriefen mit laufender Zinszahlung noch einen Guthabenzins von durchschnittlich 7,9% erzielen. So betrug z. B. im Januar 1992 die Inflation 4,1%, der Realzins lag bei Sparbriefen bei 3,8% (7,9% – 4,1% = 3,8%). Zwar verlor das angelegte Geld auch damals 4,1% Kaufkraft, der hohe Guthabenzins von 7,9% machte den Verlust aber mehr als wett und der Sparer profitierte trotz erhöhter Inflation. Und wie sieht das heute aus? Im September 2021 betrug die Inflation 4,1%. Der Realzins lag bei einem Sparbrief mit laufender Zinszahlung bei -3,62% (0,48% – 4,1% = -3,62%). Geld über den Verlust der Kaufkraft zu verlieren widerspricht dem Gedanken des Sparens. Ein zur Seite gelegter Notgroschen soll auch in der Not noch die volle Kaufkraft haben. Legte im Oktober 2020 ein Sparer 1000 EUR zu einem Zins von 0,4% an, so konnte er im September 2021 zwar 1004 EUR verbuchen. Jedoch betrug die Kaufkraft der 1004 EUR durch die Inflation und der daraus resultierenden Entwertung des Geldes nur noch 963 EUR.

Es verbleibt zu untersuchen: Was verursacht den eklatanten Unterschied des Guthabenzinssatzes zwischen 1992 und heute? 1992 beeinflusste die Deutsche Bundesbank über geldpolitische Steuerungselemente, dem sogenannten Leitzins, die Höhe der von Banken und Sparkassen angebotenen Zinsen auf Spareinlagen. Da der von der Deutschen Bundesbank festgelegte Leitzins über 8% lag, waren Banken und Sparkassen in der Lage, ihren Kunden (Sparern) 7% und mehr Zinsen für Geldanlagen zu zahlen. Heute wird der Leitzins von der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegt und dieser liegt seit März 2016 bei 0%. Aufgabe der EZB ist es, für Preisstabilität zu sorgen. Die EZB hat sich dabei selbst das Ziel gesetzt, die Inflationsrate auf einem Niveau von 2,0% zu halten. Die steigende Inflation im Euroraum und besonders in Deutschland hat sich schon vor Monaten angekündigt.

So lange aber die Europäische Zentralbank den Leitzins nicht anhebt, wird der Realzins für die Sparer negativ bleiben. Die uns vorliegenden Zahlen reichen bis in das Jahr 1967 zurück. In den vergangenen 54 Jahren waren die Sparer niemals mit einer so schlechten Realverzinsung konfrontiert. Kein Wunder, daß manche schon von einer schleichenden Enteignung der Sparer reden. Eine Wertung dieser Aussage bleibt jedem selbst überlassen.

Doch eine Frage bleibt im Raum stehen: “Was stimmt hier nicht“?

Glücklicherweise gibt es andere Anlagemöglichkeiten, welche sich in diesen Zeiten um einiges besser zur Wertsicherung eignen als Festgeldanlagen. So sind z. B. Unternehmensanleihen von solventen Unternehmen auch eine Alternative. Sicher ist aber, wer heutzutage etwas mehr Zinsen haben möchte, muss sich auf die Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten begeben. [JGL]

Quellenverweise.

http://bundesbank.de

http://statista.de

http://ecb.europa.eu


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